Email für dich
Ein Film zum Träumen
"You have got mail - these are powerful words" - das sind die Worte von Joe Fox, als er Kathleen ihren Tee ans Bett bringt und die Decke bis zu ihrem Halse zieht. Es sind wirklich mächtige Worte, wenn Dein e-mail Tool Dir neue Post ankündigt und wenn Du gar Post von jemandem ganz Bestimmten erwartest.
Der film "e-mail für Dich" verkörpert wohl wie kein anderer Film die Bedeutung des Internets in unserer Gesellschaft. Spiegelt der Film nicht gerade einen Traum von Millionen einsamer Menschen wider, dass aus einer einfachen Chatterei oder einer länger anhaltenden e-mail Freundschaft eine ganz große Affaire wird?
Kurz zur Handlung: Der Film spielt auf zwei Ebenen, einmal in der realen Welt, ein zweites Mal im Cyperspace. In beiden Welten geht es jedoch um dieselben beiden Hauptpersonen: Um Joe Fox, einen erfolgreichen Manager einer großen Buchladenkette, und um Kathleen, einer Kleinbuchhändlerin, deren Herz voll für die Bücher und die Kinder schlägt. Beide Personen haben sowohl in der realen Welt miteinander zu tun als auch in der Cyberwelt. Während sie sich tagsüber bekriegen (schließlich bedroht der große Fox mit der Neueröffnung eines Fox-Discount-Buchladens gegenüber von Kathleens Kinderbuchladen deren Existenz) tauschen sie abends via e-mail ihre Probleme und Träume aus. Nur der Zuschauer weiß jedoch, dass es sich in beiden Welten um die gleichen Personen handelt.
Der Film beginnt mit einer aberwitzigen Szene, die vielleicht das Leben vieler Menschen in der heutigen Zeit widerspiegelt: Kathleen stürmt direkt zum Rechner um die e-mail ihres Chat-Partners NY152 zu lesen, sobald ihr Lebensgefährte aus dem Hause geht. Meg Ryan hüpft wie ein Kind durch ihr Appartement, beobachtet sorgfältig das Weggehen ihres Lebensgefährten, um dann schnellstmöglich zum Rechner zu stürmen. Meg Ryan, mit ihrem jugendlichen Outfit, hätte alleine für diese Szene einen Oskar verdient.
Als Counterpart tritt kein geringerer als Tom Hanks alias Joe Fox auf. Damit hat der Film die beste Besetzung vorzuweisen, die er nur haben konnte. Tom Hanks hat schon in seinen früheren Rollen als ehrgeiziger Mensch geglänzt, sei es als Forrest Gump oder als Soldat James Ryan. Die Rolle als erfolgreicher Buchladen-Manager ist ihm also wie ins Gesicht geschrieben. Meg Ryan hat schon in zahlreichen Filmen als eher kindlichere, verworrene, aber entschlossene Frau geglänzt. Erwähnt sei dabei "Harry und Sally" oder "French Kiss". Deshalb gibt es auch keine bessere Darstellerin für eine liebevolle, allseits geliebte Kinderbuchhändlerin, die jedoch entschlossen für ihren Laden kämpft, als Meg Ryan.
Nora Ephron (weltbekannt seit "Schlaflos in Seattle" führte Regie in diesem grandiosen Film. Wie gesagt, nur der Zuschauer weiß, dass sich die beiden Personen sowohl im wirklichen Leben als auch im Cyberspace kennen. Obwohl der Film eigentlich eher zu den romantischeren Filmen gehört, kommt immer wieder große Spannung auf, wenn man nämlich glaubt, dass sich für die beiden deren unbekanntes Geheimnis endlich lüftet. Aber trotz mehrerer solcher Szenen wird der Zuschauer bis zum letzten Ende hingehalten, bis die beiden endlich zueinanderfinden.
Während das erste Filmdrittel geprägt ist von dem unbewußten Nebeneinanderleben zweier Welten, löst sich im zweiten Drittel zumindest für Joe Fox das Geheimnis. Fortan spielt er mit Kathleen, die er über alles gerne hat, die ihn aber im richtigen Leben hasst, im Cyberspace jedoch immer noch sehr sehr gerne hat. Man möchte da als Zuschauer am liebsten eingreifen.
Das letzte Filmdrittel gehört mit zu den kurzweiligsten, spannendsten und lustigsten, die ich je gesehen habe. Joe Fox nimmt geschickt die Zügel in die Hand um an Kathleen heranzukommen: Er redet mit Kathleen über den Unbekannten NY152 und - was für ein Wunder - weiß immer dessen dubiose e-mails am besten zu interpretieren. Im letzten Filmdrittel kann man Meg Ryan und Tom Hanks so richtig genießen. Wenn man diese beiden zusammen sieht und Witze reißen hört, kommt so richtig Lebensfreude auf.
Der Höhepunkt des Filmes ist für mich nicht die Schlussszene, sondern einige Takte davor, nämlich als Joe Fox Kathleen ein Bekenntnis ablegt, ohne jedoch auf seinen Nicknamen NY152 zu verweisen. Beide erkennen, dass sie eigentlich das perfekte Paar im Leben wären, "sich nicht mal um den Samstagsabendfilm streiten würden", jedoch aufgrund ihrer geschäftlichen Konkurrenz weit auseinander liegen. Und dann die hochemotionalen fast verzweifelnden Worte eines Tom Hanks:
"How can you forgive this guy for standing you up and not forgive me for this tiny little thing of putting you out of business. Oh, how I whish you would". Mit dem "guy", der Kathleen zweimal versetzt hatte, meint er natürlich seine Cyberspace-Person. Kathleen, der Verzweiflung und Ratlosigkeit nahe, bricht das emotionale Gespräch ab "I really have to go". Wie könnte einem da Tom Hanks als Joe Fox leid tun; wer da nicht den Tränen nahe ist.
Der Film endet mit einer romantischen Szene, wie sie schöner kaum gedreht werden kann: Kathleen, in zierlichem Rock mit der Ausstrahlung wie ein Blumenmädchen, wartet auf ihren NY152 in einem wunderschönen Blumengarten in der 91. Strasse New York Citys. Man merkt in ihr ihren Konflikt; hat sie doch jetzt zwei Liebhaber: Joe Fox sowie ihren noch unbekannten NY152. Der Film endet mit einer Erlösung für Kathleen und den Zuschauer, als Joe Fox nur 3 Worte spricht: "Don't cry, shopgirl" und Kathleen antwortet: "I wanted it to be you".
Manch einer wird mich jetzt fragen, warum ich die Filmzitate in englischer Sprache zitiere und ob es den Film nicht auch in deutscher Sprache gibt. Als ich den Film zum ersten Mal gesehen habe, habe ich die deutsche Version angesehen. Obwohl ich vom Erfolg des Filmes wußte, war ich ziemlich enttäuscht, erschien er mir doch eher langweilig als romantisch und spannend. Ich habe mir den Film anschließend in englischer Originalsprache angesehen und war restlos begeistert.
Obwohl die Synchronsprecher Tom Hanks und Meg Ryans zweifellos gute Arbeit geleistet haben, vermochten sie die starken Gefühle, als sich Kathleen und Joe gegenüberstanden, nicht rüberzubringen. Mich hat es sehr irritiert, als ich Tom Hanks groß vor mir sah, mit viel Gefühl die bekennenden Worte sagend, und die Mundbewegungen nicht zum Text passten. Auch finde ich, dass der Synchronsprecher Tom Hanks dessen eigentlichen Charakter nicht gut wiedergeben kann. Nachdem ich den Film inzwischen einige Male in der englischen Originalversion genossen habe, habe ich mir gewisse Szenen mal in der spanischen Fassung angesehen. Es war schrecklich, nicht etwa weil ich kein Wort verstanden hätte, sondern weil Personen durch Synchronsprecher total anders wiedergegeben werden als es ihrem Charakter entspricht.
Viele haben den Film bereits im Kino gesehen. Wer einen DVD-Player sein Eigen nennt, dem empfehle ich, unbedingt diesen Film in der englischen Originalfassung, falls notwendig mit deutschen Untertiteln, anzusehen. Dass der sprachliche Unterschied so viel ausmachen kann, ist mir noch nie bei einem Film aufgefallen.
Ich möchte abschließend noch ein paar Worte über die Filmmusik verlieren. Diese ist nämlich geprägt durch Abwechslung und erstklassige Songs. Während man während des Filmes vielleicht gar nicht so sehr auf die Musik achtet, wird einem erst am Ende bewußt, wie schön die Musik zum Film ist, wenn nämlich Harry Nielsson den traumhaft schönen Song "Over the Rainbow" singt. Und damit der Zuschauer nicht bei Beginn des Abspannes den Kinosaal verlässt oder die DVD stoppt, haben die Produzenten noch 3 weitere Klassesongs angehängt. "e-mail für Dich" - eine DVD nicht nur zum Sehen sondern auch zum Hören.
Darf bei all dem Lob über den Film noch etwas Kritik sein? Ich denke, die Filmemacher werden sie ertragen. Der Film ist eine einzige Werbekampagne für AOL. Millionen AOL-User und ehemaliger AOL-Mitglieder werden sich an die Stimme "Sie haben Post" erinnern. Mehrere Male wurde auch das AOL-Startfenster eingeblendet und typische AOL-Merkmale wurden gezeigt. Da ich ein wahrer AOL-Gegner bin, wäre mir ein anderer Internet- bzw. E-Mail Provider lieber gewesen. Aber wenn schon der Film "nur" Hunderte von Millionen von Dollars einspielt, dann muss man ja anderweitig für Einnahmen sorgen...
zum Filme-Inhaltsverzeichnis
Copyright: Patrick Wagner, www.patrickwagner.de
|